(aktualisiert am 5.05.23)
Wenn ich Fehler in meinen Workshops mache, ist das nervig, aber nützlich. Ich brauche meist einige Wiederholungen, bis ich wirklich etwas verändern kann. Habe ich mich dann endlich weiter entwickelt, nahen auch schon die nächsten Lernchancen. Hier ein paar Klassiker aus meinen Atem- und Singworkshops (ich gestehe, dass sie mir auch jetzt noch ab und zu passieren):
Nr. 1: Zu wenig durchgeatmet
Vor einem Workshop brauche ich Zeit, um in Ruhe anzukommen. Ausladen, den Seminarraum herrichten. Lüften, Stühle stellen, Material sortieren, Blumen für die Raummitte arrangieren. Da ich eher einen Last-Minute-Stil habe, kamen oft schon die ersten Teilnehmer, während ich noch am Unterlagen Sortieren war. Nettes Anfangsgeplauder und letzte Vorbereitung zeitgleich im Multi-Tasking. Ziemlich uncool.
Tipp: großzügiger Zeitpuffer vor Beginn des Workshops
Wie schön, wenn vor dem Start noch Zeit zum Durchatmen ist. Zeit, um sich die Zielsetzung für den Workshop noch einmal klarzumachen. Welche Atmosphäre will ich schaffen, was ist heute das Wichtigste? Gut ist es, mit allen Vorbereitungen eine halbe Stunde vor Beginn fertig zu sein. Erfahrungsgemäß kommen die ersten Teilnehmer schon 20 Minuten vor Beginn in den Raum. Mit Ruhe und Gelassenheit jeden einzelnen zu begrüßen ist die richtige Weichenstellung für einen gelungenen Workshop.
Nr. 2: Zu schnell reagiert
Eine TeilnehmerIn schaut bei einer Entspannungsübung auf die Armbanduhr, ein anderer beim Mantra singen auf sein Handy. Eigentlich kein Problem. Als Mitglied im Club der Hochsensiblen überlege ich noch in derselben Millisekunde, ob ich vielleicht zu langsam bin (oder zu langweilig?). Alle Teilnehmer in ihren Befindlichkeiten wahrzunehmen, das ist noch immer so bei mir. Aber überinterpretieren und sofort reagieren, das lasse ich jetzt sein. Meine Tendenz zur Überinterpretation ging auch in Richtung verschränkter Teilnehmer-Arme. Findet sie vielleicht das Lied doof oder er die Übung nervig? Schon habe ich meinen Plan geändert, eine Übung abgekürzt und eine Lied-Wiederholung weggelassen. Damit sich bloß keiner langweilt.
Tipp: Mehr Geduld und Verantwortung abgeben
Was wirklich vorgeht in dem gähnenden Teilnehmer oder der Frau mit den fest verschränkten Armen bei der Lockerungsübung kann ich gar nicht wissen. Gähnen ist Entspannung, mit Verschränkungen gibt man sich selbst Halt und Schutz. Entspannte Gesichter können mürrisch wirken. Vielleicht braucht der Mensch mit dem grimmigen Blick nur etwas mehr Zeit, um sich mit einer Übung oder einem Lied anzufreunden.
Selbst wenn es innerer Widerstand sein sollte, ist es nicht die Aufgabe der Workshop-Leiterin, jeden kleinen Frust auf der Stelle aufzulösen. Nicht alles muss jederzeit für alle angenehm sein. Übungen also in Ruhe und nach Plan zu Ende führen, ⁸Wiederholungen nicht abkürzen. Die Wohlfühl-Verantwortung ganz bewusst in die Hände der Teilnehmer legen. Alles ist Lernaufgabe und darf so sein, wie es gerade ist. Die daraus entstehende Gelassenheit überträgt sich auf die gesamte Gruppe.
Nr. 3: Rituale vernachlässigt
„Hallo, wie wunderbar, dass wir heute hier zusammen sind. Lasst uns loslegen!“ Schon war ich bei der ersten Übung, dem ersten Lied. Oder vielleicht sogar bei den Ankündigungen, was heute wie ablaufen soll. Nichts mit „Zauber des Anfangs“ und Zelebrieren des gemeinsamen Starts.
Tipp: Anfangs- und Schlussritual gestalten
Alle Anwesenden zu Beginn des Workshops einzeln würdigen schafft eine gute Basis für alles, was noch kommt. Manchmal reicht es schon, wenn jeder seinen Namen einmal laut für alle ausspricht. Eine Mini-Vorstellung mit dem direkten Sitznachbarn statt lange Vorstellungsrunden in der großen Runde. Gut in Kontakt kommt die Gruppe mit kurzweiligen Aufwärm-Spielen, auch Ice-Breaker genannt.
Ein weiterer wichtiger Punkt für den Anfang: Das rituelle Setzen einer Intention, der Absicht für die gemeinsame Workshop-Zeit. Jeder Teilnehmer findet eine Sache, eine Lernerfahrung, die für ihn/sie geschehen sollte, damit sich die Teilnahme am Workshop gelohnt hat. Vielleicht ist es nur tolle Umgebung, oder das entspannte mal ’rauskommen aus dem Alltag. Die Wünsche mit der Gruppe zu teilen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch erfüllen.
Genauso am Ende des Workshops: Nach der Feedback-Runde ein gemeinsamer Ausklang. Ein tiefer Atemzug, ein Lied. Wofür bin ich dankbar? Welche Lernerfahrung, welchen „Diamanten“ nehme ich mit nach Hause?
Nr. 4: Nicht typgerecht kommuniziert
„Wir bringen jetzt unseren Kreislauf in Schwung, mit Power-Atemübungen, und danach gibt es ein längeres, entspannendes Mantra-Chanting.“ So eine flexible Ansage ohne konkrete Uhrzeiten, Anfangs- und Endpunkte ist für mich völlig o.k. Ich bin ja gerne flexibel und reagiere am liebsten spontan in der Umsetzung meiner Workshop-Inhalte. Das kann aber zu innerer Unruhe führen bei den Teilnehmern, die einen festen Zeitrahmen brauchen.
Tipp: Ansprache auf verschiedenen Ebenen
Es ist wichtig, auch die eher rationalen Teilnehmer-Typen zu würdigen, die die Vorgabe eines kompletten Zeitplans lieben, um sich entspannen zu können (aufgeschrieben und ausgehängt). Umgangsregeln sollten klar ausgesprochen werden. Auch für Dinge, die selbstverständlich erscheinen, ist es wichtig, Erlaubnis zu erteilen. Zum Beispiel für das Aufstehen und Beine vertreten zwischendurch, oder der Gang zum WC außerhalb der Pausen.
Die emotionale Ebene wird angesprochen durch die Ermutigung, auf den eigenen Körper und das eigene Gefühl zu hören. Die Augen trotzdem offenzulassen bei einer Meditation, auch wenn Augen schließen angesagt wird. Bei Bedarf ohne offizielle Entschuldigung den Raum zu verlassen, wenn das Bedürfnis nach Alleinsein und Ruhe da ist.
Das Wir-Gefühl der Gruppe anzusprechen ist ebenfalls wichtig. Besonders schön ist es, Dankbarkeit auszudrücken für die kostbare gemeinsame Zeit und die Einzigartigkeit der Gruppe. Wo es passt, auch die „spirituelle“ Ebene mit einbeziehen und für die kraftvolle Wirkung von gemeinsam erlebten Momenten der Stille werben. Ganz ohne Input von außen.
Nr. 5: Überzogen am Schluss
Kurz vor Workshop-Ende noch eine Lieblings-Übung, ein weiteres Abschlusslied auf Wunsch der Teilnehmer. Auch wenn die Zeit dafür eigentlich nicht reicht. Alle sind gerade so wunderbar locker und entspannt. Ich weiß, überziehen ist unprofessionell. Da ich begeisterte Workshop-Leiterin bin, passiert es dann doch regelmäßig. Wie sagte meine Mutter früher zu mir? „Wenn es am schönsten ist, soll man gehen.“ Bei guten Partys habe ich schon immer zu den letzten Gästen gehört …
Tipp: Mit der eigenen Energie bewusst haushalten
Wenn Du auch eher der „großzügige“ Typ bist: Wertschätze die eigene Zeit und Energie. Du hast eine Verantwortung Dir selbst gegenüber, Dich nicht zu erschöpfen. Mache gut 15 Minuten früher Schluss als nötig, und nimm das Tempo raus.
Lass Pufferzeit am Ende für die Verabschiedung der Teilnehmer untereinander und für Einzelfragen. Nach dem Aufräumen und Verlassen des Workshop-Ortes ist es wunderbar, noch eine längere Runde alleine spazieren zu gehen, um den Tag ausklingen zu lassen und herunterzukommen.
Nr. 6: Alleine aufgeräumt
Alles selbst aufräumen am Ende. Bei meinen Reha-Yoga-Gruppen Hocker und Matten alleine zurückbringen. Materialkoffer, Blumen, Instrumente alleine zum Auto schleppen. Die Frage „Sollen wir helfen?“ mit „Danke. Alles gut, ich mache das schon“ zu beantworten. „Ein guter Trainer macht nichts.“ Diesen Spruch aus meiner Rehasport-Ausbildung habe ich schon oft freudig ignoriert. Als Mutter war ich so in Übung, hinter meinen Kindern herzu räumen.
Tipp: Teilnehmer helfen meist gerne (Karma-Yoga)
Helfen verbindet und meist kommen die Angebote freiwillig. Auch ein munteres „Wer hat Lust mit mir Stühle zu rücken“ schadet nicht. Lüften, Papiere einsammeln und Tassen abwaschen: Diese Art der Betätigung für die Gemeinschaft nennt sich auch Karma Yoga (Yoga der selbstlosen Tat). Laut alten Yoga-Schriften ist das auf jeden Fall eine der effektivsten Methoden, der Erleuchtung näherzukommen. Wichtig hier: Nicht beleidigt sein, wenn gerade niemand Interesse an Erleuchtung hat!
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Hey Elena,
I feel and get you in all 6 points. As an educator & workshop designer, my hand ✋ is up with a OMG, me TOO! Your tips gave me an “oh yeah, of course!”. I’m looking forward to applying them one at a time.
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Liebe Elena, ich musste oft schmunzeln: Die TN sollen sich bloß nicht langweilen, die Anfangsrituale zu überspringen und die Übersicht für überflüssig halten kenne ich auch 🙂 Im Laufe meines Lebens als Workshop-Leiterin habe ich die anderen Punkte sicher auch mal berührt. Nur überzogen habe ich nie. Da lege ich Wert auf eine Punktlandung. Schöner Artikel, der mich an all meine Workshops erinnert hat. Danke.